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Etwas Besseres als die Festanstellung finden wir allemal

Dies ist die Website und das Blog zum Buch "Wir nennen es Arbeit – die digitale Bohème oder intelligentes Leben jenseits der Festanstellung" von Holm Friebe und Sascha Lobo. Das Buch handelt davon, wie eine neue Klasse von Selbstständigen mit Hilfe digitaler Technologien dem alten Traum vom selbstbestimmten Arbeiten in selbstgewählten Kollektivstrukturen ein gutes Stück näher kommt. Das Blog schreibt das Buch fort, gibt Updates zu den einzelnen Kapiteln und informiert über neueste Entwicklungen und Frontverläufe im Kampf um den Individualismus 2.0.

22.11.2006 | 13:19 | Holm Friebe | - Das Prinzip Bohème

Digitale Bohème bei Christiansen et al.

Am kommenden Sonntag werde ich als digitaler Bohèmien zusammen mit Jörg Schöhnbom und Mutter Beimer in der Sendung von Sabine Christiansen zum Thema "Der Amoklauf von Emsdetten – haben wir alle versagt?" diskutieren. Quatsch. War nur ein Witz. Aber kein schlechter. Ausgedacht hat ihn sich die Taz von heute. Und obwohl wir natürlich nicht in der Sendung sein werden, findet sich unsere Position mit "Du bist gefragt, Kumpel" doch ganz angemessen widergespiegelt. Zur Erläuterung: Mag sein, dass es einen Korrelation zwischen Ego-Shooter-Spielen und Amokläufen gibt, ähnlich wie es einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen dem Rückgang der Störche und der sinkenden Geburtenrate gibt. Gut möglich, dass Jugendliche, die so fertig sind, dass sie ihre Mitschüler niedermetzeln, auch einen Crush für Ballerspiele haben. Damit ist jedoch nichts über die Kausalität ausgesagt. Nur so viel dazu.

Weiter im Text: Die Jungle World widmet dem Spannungsfeld Prekariat und digitale Bohème ihre Titelgeschichte mit der schönen Zeile "Mein Job bin ich", sieht das Thema naturgemäss etwas kritischer, gibt uns aber Gelegenheit, im Streitgespräch mit Anton Landgraf die gröbsten Missverständnisse auszuräumen. (Bei der Gelegenheit möchten wirich dazu aufrufen, die Jungle World zu unterstützen, indem man sie aboniert. Denn diesmal gilt wirklich: "Es geht um alles!" Kein Spruch, auch wenn er von uns ausgedacht wurde. Wir finden es wichtig, dass es auch weiterhin eine linke und unabhängige Wochenzeitung auf Papier gibt, gerade weil sie bis heute ihre lesenswerten Inhalte auch gratis und im Volltext ins Netz stellt.)

In der kommenden Konkret macht es sich Tina Klopp etwas einfacher, indem sie einfach den Gewerkschaftsstandpunkt von vor 15 Jahren bezieht: "Unfreiwillig arbeiten die Autoren damit jedoch dem neoliberalen Gesellschaftsentwürfen derer in die Hände, von denen sie sich ursprünglich befreien wollten. Denn die Auftraggeber aus Verlagen und Unternehmen freuen sich am meisten über Mitarbeiter, die rund um die Uhr zur Selbstausbeutung bereitstehen." Offensichtlich müssen wir noch deutlicher werden, dass es genau darum nicht geht.

Skeptisch bleiben auch Allain Bieber und Gunnar Lützow in der Max vom Dezember, indem sie nach umfangreichen Recherchen im Cafè Obeholz zu dem Schluss kommen, dass das Ganze oft nur mit dem "Airbag Eltern" funktioniert. Vielleicht sollte man dort mal nicht nur die Studenten interviewen. Immerhin stellen sie dem Artikel fünf Portraits beiseite, die in der Zusammenschau eine hübsch ausgewogene Empirie dessen liefern, was wir nicht zuletzt als utopischen Vektor beschreiben. So geht's doch.

Was noch? Für die Zeitung des Bundestages Das Parlament hat uns Johanna Metz ausführlich interviewt. Wir haben uns bemüht, möglichst staatstragend zu wirken. Leider ist uns das nur in Ansätzen gelungen. Ach so: Und heute Abend ab 19 Uhr werde ich zu Gast in der Sendung Resonanzen auf WDR 3 sein. Worum es darin allerdings nicht gehen wird, ist der Amoklauf von Emsdetten.


20.11.2006 | 18:07 | Holm Friebe | - Der unflexible Mensch | - Work in Projects

Lob der Unvernunft

Spät, aber doch wollen wir uns der Neuveröffentlichung ZEIT-Campus widmen, die die alte Tante des deutschen Journalismus im Rahmen ihrer Bemühungen um den akademischen Nachwuchs jüngst an die Kioske gebracht hat und die schon allein wegen Zielgruppenüberschneidung in unser Ressort fällt. Und wegen thematischer Nähe: "Immer soll ich vernünftig sein", lautet der Titel (anschaulich illustriert durch eine junge Frau, die unvernünftigerweise beim Trinken die halbe Milch daneben und über sich drüber schüttet). Unterzeile: "Die Suche nach dem perfekten Lebenslauf beherrscht das Studium. Doch zum Erfolg führen auch andere Wege." Sieh mal an! Was gibt es aus dem Innenteil zu vermelden? Die Titelgeschichte nebst Umfrage unter Studenten bestätigen das gewohnt triste Bild der hochqualifizierten, pragmatischen und unter enormen Druck stehenden "Generation Praktikum". Ablöschendes Zwischenfazit: "Die Deutungsmacht über das, was als vernünftig gilt, haben die grossen Unternehmensberatungen. Sie geben vor, was ein Lebenslauf enthalten muss, und prägen dadurch das, was viele für erwartbar halten. Derzeit bedeutet dies: überdurchschnittliche Studienleistungen, Praxiserfahrungen, und ein Aufenthalt im Ausland, dazu Leistungswille, Zielgerichtetheit und Analysefähigkeit." Ergebnis dieses "Lebenslauf-Wettrüstens": für 73 Prozent ist das Studium ganz oder teilweise "eine Zeit, in der ich unter hohem Druck stehe und mich ständig beweisen muss." Dabei haben überraschenderweise nur 26 Prozent der Befragten das feste Ziel, Karriere zu machen. Heisst: Ihnen fehlt schlicht die Idee einer Alternative.

Ansätze dafür finden sich im hinteren Teil des Heftes. Thees Uhlmann von Tomte erklärt im Mensa-Interview: "Die Uni machte mich fertig" und wie er deshalb Musiker wurde. Der Zeit-Finanzkorrespondent Robert von Heusinger hält in seiner Kolumne den Ratschlag "Investieren Sie in Bier!" bereit: "Woher soll die Kreativität kommen, die sich später einmal auszahlen kann, wenn Kino, Theater und Kunstausstellung gestrichen werden, nur um monatlich 30 oder 50 Euro zur Bank zu tragen? Ich zähle selbst das philosophische Gespräch bis morgens um fünf in der Kneipe eindeutig zu den Investitionen." Unsere Rede!

Und genau in diese Kerbe schlägt auch der geschätzte Lord Ralf Dahrendorf im Interview, das man eigentlich am Stück zitieren möchte. Hier nur die Highlights: "Es ist skandalös, wenn inflexible Systeme Menschen in einem ganz bestimmten Bereich festhalten und es ihnen schwer machen, den Weg zu gehen, auf dem sie ihr Bestes geben können." Auf die Frage, ob man einfach das machen soll, was einem Spass macht: "Ja, aber nicht in dem Sinne, in dem das in Zeiten der New Economy gesagt wurde. Spass muss es machen, aber es kommt vor allem darauf an, dass ihr etwas tut, wo ihr euer Bestes geben könnt, wo ihr euch wirklich engagiert, weil es nicht zufällig daherkommt. Die entscheidende Frage ist: Wie will ich sein? Nicht: Was will ich sein." Schliesslich: "Ein Hauptmerkmal der Vernunft ist, dass man nicht mit 22 darauf schielt, möglichst viel Geld zu verdienen, sondern weiter als die nächsten zwei oder drei Jahre denkt. Etwas, das von aussen für die nächsten Jahre als vernünftig angesehen wird, ist auf lange Sicht vielleicht unvernünftig." Bingo! Von den Alten lernen heisst, die digitale Bohème verstehen lernen.


20.11.2006 | 18:06 | Sascha Lobo | - Die Währung Respekt | - Bohème und Big Business

100 Wichtige


Äussere Zerrissenheit
Wer auf das Cover der aktuellen Neon schaut, dem blickt ein wohlfrisierter Blogger, Autor und Agenturdings entgegen: Holm Friebe nämlich, mein Lieblings-Coautor. Abgesehen davon, dass der Heisskleber des aufgepappten Werbeheftchens ("Achtung Weihnachten!", Inhalt: ja, genau.) Holms Gesicht in der Regel beim ablösen zerreisst, ist das natürlich toll. Er wurde nämlich genau wie Mitbloggerin Kathrin Passig von der Neon-Redaktion zu zwei der "100 wichtigsten jungen Deutschen" gekürt. Die beiden lassen die Gelegenheit nicht aus, um angesichts aktueller Soft-Prominenz und damit verbundener Selbstüberschätzung endlich alte Fehden öffentlich auszufechten.

Holm diktierte der Neon in seine Kurzvorstellung: "Nur seine erfolgreiche Mitagentin Kathrin Passig (siehe Literatur) findet er 'leider völlig überschätzt'." Ingeborg-Bachmeier-Gewinnerin Passig revanchiert sich mit einem Rund-Um-Urinstrahl: "Ihre Nennung in dieser Liste findet Passig vollkommen okay. Nur: 'Was haben eigentlich die 99 anderen in der Liste zu suchen – und was vor allem Holm Friebe?'"


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