Titelbild

Etwas Besseres als die Festanstellung finden wir allemal

Dies ist die Website und das Blog zum Buch "Wir nennen es Arbeit – die digitale Bohème oder intelligentes Leben jenseits der Festanstellung" von Holm Friebe und Sascha Lobo. Das Buch handelt davon, wie eine neue Klasse von Selbstständigen mit Hilfe digitaler Technologien dem alten Traum vom selbstbestimmten Arbeiten in selbstgewählten Kollektivstrukturen ein gutes Stück näher kommt. Das Blog schreibt das Buch fort, gibt Updates zu den einzelnen Kapiteln und informiert über neueste Entwicklungen und Frontverläufe im Kampf um den Individualismus 2.0.

19.10.2006 | 12:52 | Sascha Lobo | - Das Prinzip Bohème | - Place Does Matter | - Money For Nothing

Notizen aus dem digitalen Alltag

Vollständige Liste sämtlicher Unternehmen, die 2006 keine Filiale in Second Life eröffnen werden:
- World of Warcraft
- Edelman
- Kachel-Werner in der Augsburger Strasse

#

Ich könnte es googeln, das gibt es also bereits unter Umständen, ich möchte mich aber beschweren, weshalb keiner der Digitalfotoapparathersteller Bluetooth in seine Kamera einbaut, damit das Übertragen endlich drahtlos geht. Wollen sie am Ende nur ihre überteuerten Speicherkarten verkaufen? Ich wäre schockiert.

#


WIRKLICH überall im Netz arbeiten.
Gestern das erste Mal jemanden in der U-Bahn gesehen mit Laptop, der vermittels einer UMTS-Karte im Netz war. Man fühlt sich vorne dran und ist doch nur mitten drin. Wenn überhaupt. Es war in der Berliner Linie 8 gegen 22.15 zwischen Moritz- und Alexanderplatz. Ein älterer Herr. Ich habe um Fotoerlaubnis gefragt, er hat sie mir erteilt und beim Weggehen habe ich auf seinen Screen gelugt: ein Webmailer. Das nur für die Nachwelt, wenn später irgendjemand fragen sollte, wie alles anfing, bzw. aufhörte.


18.10.2006 | 15:01 | Holm Friebe | - Das Prinzip Bohème | - Place Does Matter

Cappuccino-Kapitalismus

Ach, herrlich, Kinder! Die Zeitung aufzuschlagen und die eigenen Thesen und Themen – wenn auch vielleicht etwas am Pudelkern vorbei – zurückgespiegelt zu bekommen. Unter der Überschrift Vernetzter Milchkaffee berichtete die Berliner Zeitung gestern über die neue digitale Berliner Kaffeehauskultur unter anderem am Beispiel des St. Oberholz:

E-Mails schreiben, schauen was im Kino läuft oder einfach nur auf interessanten Seiten rumsurfen: Das Internet ist so im Leben vieler verankert, dass sie gar nicht mehr wissen, wie sie ohne diese weltweite Suchmaschine zurechtkommen sollen. Viele möchten den Zugang zum Web weder nachmittags im Café noch abends in der Kneipe missen. Immer mehr Menschen nehmen deshalb ihren Laptop mit, wenn sie einen trinken gehen. Und immer mehr Gaststätten bieten per sogenanntem WLAN kabellosen Internetzugang an – die meisten sogar kostenlos.

Nur auf den Gedanken, dass es sich dabei möglicherweise um eine Form der Erwerbsarbeit handeln könnte, kommt die Autorin nicht. Kein Wunder, wenn man am Ende ominöse "Experten aus den USA" zitiert, die prognostizieren, "dass sich in Zukunft wieder mehr Menschen für ein Leben ganz ohne Internet entscheiden werden." Wobei man fairerweise einräumen muss, dass auch andere Autoren in jüngster Zeit den vorauseilenden Mythos des Cafés St. Oberholz kritisch-investigativ hinterfragt haben.


13.10.2006 | 22:15 | Sascha Lobo | - Das Prinzip Bohème | - Kommunizierende Röhren | - Virtuelle Mikroökonomie | - Die parallele Gesellschaft

10 Gründe, warum jeder bloggen sollte

Im Buch "Wir nennen es Arbeit" beschäftigen wir uns über ein Kapitel mit Blogs, es heisst "Kommunizierende Röhren". Das liegt daran, dass wir Blogs für zentral in der Entwicklung der digitalen Bohème und des gesamten Internet halten. Die Gründe dafür sind beinahe deckungsgleich mit den Gründen, weshalb eigentlich jeder bloggen sollte. Ich glaube, dass in ein paar Jahren Menschen ohne Blog genauso wunderlich dastehen werden wie heute die versprengten handylosen Gesellen. Und hier die Gründe.

1) Das Internet für alle ist erst zwölf Jahre alt und nächste Generation wächst damit auf, so dass man davon ausgehen kann, dass das Netz wichtiger und noch alltäglicher wird. Nicht selbst im Netz veröffentlichen zu können wird sich dann anfühlen, wie heute nicht schreiben zu können oder stumm zu sein.

2) Auch in Zukunft werden Suchmaschinen das Tool zur Entdeckung der digitalen Welt sein. Gut, wenn man wenigstens auf einen der ersten zehn Treffer zum eigenen Namen Einfluss hat – und das geht mit einem Blog leicht. Ein Christian Schmidt hat dann natürlich ein Problem. Ausser er nennt sich Christian Y. Schmidt.

3) Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Date mit einer Person namens "Chris Mronski". Sie googeln die Person vorher und sie hat keinen einzigen Treffer. Sie existiert online nicht, sagt man heute und wundert sich. In Zukunft wird man das über Menschen sagen, die kein Blog haben.

4) Wenn man sich früher für Schach interessiert hat, ging man zum örtlichen Schachclub. Wenn man sich für Plastikstühle interessierte, war man allein. Heute schaut man sich um und findet natürlich auch ein Blog über Plastikstühle. Abgesehen davon können Sie ruhig mal "Schachblog" googeln.

5) "Früher mussten Menschen Sachbücher schreiben, um als Experte zu gelten, heute genügt ein gutes Blog." Alexander Svensson von Wortfeld hat das gesagt, bzw. aufgeschrieben (bei der Blogbefragung für "Wir nennen es Arbeit").

6) "Blogs sind die längsten Kontaktanzeigen der Welt" (Felix Schwenzel), erweitert um MC Winkels Erkenntnis: "Vorteil ist, dass man schon vorher weiss, dass der etwaige Neupartner genau die gleichen Probleme hat wie man selbst: ein vollends überzogenes Mitteilungsbedürfnis, Egomanie und Geltungsdrang." (auch Blogbefragung)

7) Es gibt von der Geburt der Zwillinge bis zur Vierten Herrenmannschaft des TSV unzählige Gründe, weshalb einer mit vielen kommuniziert. Ein Text, Fotos oder ein Filmclip, die in einer "Mail an alle" unangemessen sind und vor allem nach einem Klick verloren gehen, können die Zierde eines Blogs sein.

8) Es gibt – gerade bei Projekten und Arbeitsprozessen mit vielen Beteiligten – kein besseres System, um einen externen Wissensspeicher und eine benutzbare digitale Dokumentation zu produzieren als ein Blog.

9) Die famose Radiotheorie von Bertolt Brecht hat die theoretische Grundlage gelegt für etwas, was mit "Gegenöffentlichkeit" nur unzureichend beschrieben ist. Es geht darum, dass in der Mediendemokratie nicht nur Medien eine interessengesteuerte Stimme erheben können, sondern die Menschen selbst. Es geht darum, dass Blogs der radikalste und funktionierende Gegenentwurf zur Gleichschaltung sind. Endlich, "ich warte schon 80 Jahre", würde Brecht sagen.

10) Es macht irrsinnigen Spass.


... 2.5 3.5 4.5 5.5 6.5