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Etwas Besseres als die Festanstellung finden wir allemal

Dies ist die Website und das Blog zum Buch "Wir nennen es Arbeit – die digitale Bohème oder intelligentes Leben jenseits der Festanstellung" von Holm Friebe und Sascha Lobo. Das Buch handelt davon, wie eine neue Klasse von Selbstständigen mit Hilfe digitaler Technologien dem alten Traum vom selbstbestimmten Arbeiten in selbstgewählten Kollektivstrukturen ein gutes Stück näher kommt. Das Blog schreibt das Buch fort, gibt Updates zu den einzelnen Kapiteln und informiert über neueste Entwicklungen und Frontverläufe im Kampf um den Individualismus 2.0.

07.11.2006 | 11:52 | Holm Friebe | - Der unflexible Mensch

Luzifer ex machina

Im Kino gewesen. Gelacht. Und zwar nicht über "Borat" (darüber natürlich auch), sondern über "Der Teufel trägt Prada". Und zwar nicht nur, weil er teilweise wirklich mit ein paar guten Gags und Dialogen aufwartet, sondern weil fast der gesamte Bildungs- und Heldenreise-Plot, des Films ausschliesslich daraus besteht, dass die mauerblümchenhafte Heldin Andrea, genannt Andy, es sukzessive schafft, sich den überzogenen Leistungserwartungen und sonstigen biopolitisch-selbstdisziplinatorischen Anforderungen eines Horrorjobs unter der Fuchtel der bis zum Sadismus tyrannischen Chefredakteurin eines Modemagazins (sehr gut gespielt von Meryl Streep) anzupassen. Dass sie sich ganz am Ende pseudo-emanzipiert und den Weg in den "seriösen" Journalismus findet: geschenkt!

Dass sich der Heroismus der gebeutelten subalternen Angestellten als Identifikations- und Projektionsfläche für das Heer aller Mühseligen und Gemobbten dort draussen eignet, blieb von den zahllosen Sekretärinnenzeitschriften nicht unbemerkt, die den Film und die darin gefeatureten Ego-Accessoirs heftig cross-promoteten und damit erst zum Box-Office-Erfolg machten. Bestand der Heroismus des kleinen Angestellten C.C. Baxter in Billy Wilders "The Appartement" noch in der allmählichen Auflehnung gegen das höllische System, wird hier auf Spielfilmlänge die Anpassung und Überaffirmation, die keine Subversion mehr kennt, gefeiert und in kleinen Lerneinheiten zum zu Hause und in der Firma nachspielen vorexerziert. Dass einem damit "nach nur einem Jahr Durchhalten" alle Türen offen stünden, ist die am Stock vor die Nase gebundene Mohrrübe und – im realen Angestellten-Leben – der Zug, der niemals kommt. Aber wenigstens helfen Filme wie dieser, die eigene missliche Ausbeutungssituation als glamourös wahrzunehmen und ins Heldenhafte zu stilisieren. Wir sollen lernen, uns Sisyphos als glücklichen Menschen vorzustellen.

P.S.: Dazu passt (nicht wirklich) ein Ausspruch des Modebranchen-Aussteigers und grossen Verweigerers Helmut Lang, der im aktuellen Spiegel die Quintessenz seines Arbeitslebens zusammenfasst mit: "In der Zeit, in der du nicht versuchst, produktiv zu sein, bist Du in Wahrheit wirklich produktiv." So wollen wir es auch halten.


Kommentar #1 von Frau Doktor:

Wobei das perfideste ja ist, dass die Story im konkreten Fall von Fräulein Weisbereger (Verfasserin der Buchvorlage und scheinbar 1:1 Vorbild für die Heldin) stimmt. Schliesslich hat sie ja einige Öcken verdient – nur ob da eine Journalismus-Karriere rauskommt? Who knows? Who cares?
Einwand 1: Irgendwas an dem Sysiphos-Vergleich ist schief, ich muss aber noch nachdenken.
Anderer Einwand: Wie du (und diverse andere) den Film beschreiben, klingt das für mich doch ganz stark nach dem klassischen Sekretärinnen-Roman/Film – nur halt eben für Uni-Absolventinnen. Da ist der Chef halt eine Chefin, kann also nicht geheiratet werden, stattdessen kommt die Erlösung durch einen tollen Redakteursposten: And she worked happily ever after.
In "Working Girls" hat die Heldin seinerzeit nicht nur einen 1A-Merger eingefädelt – ohne Uni-Diplom –, sondern auch noch den echt leckeren Harrison Ford bekommen plus den Job, den sie unbedingt gewollt hat. Das waren noch Zeiten, die 80er.

07.11.2006 | 17:41

Kommentar #2 von Frau Doktor:

Was ich mit dem konfusen Gestammel da oben eigentlich sagen wollte: Der Vergleich mit dem Bildungsroman scheint mir ein wenig weit hergeholt, naheliegender eher Lore-Heftchen.

07.11.2006 | 17:48