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Etwas Besseres als die Festanstellung finden wir allemal

Dies ist die Website und das Blog zum Buch "Wir nennen es Arbeit – die digitale Bohème oder intelligentes Leben jenseits der Festanstellung" von Holm Friebe und Sascha Lobo. Das Buch handelt davon, wie eine neue Klasse von Selbstständigen mit Hilfe digitaler Technologien dem alten Traum vom selbstbestimmten Arbeiten in selbstgewählten Kollektivstrukturen ein gutes Stück näher kommt. Das Blog schreibt das Buch fort, gibt Updates zu den einzelnen Kapiteln und informiert über neueste Entwicklungen und Frontverläufe im Kampf um den Individualismus 2.0.

02.01.2007 | 12:40 | Holm Friebe | - Das Prinzip Bohème

Digitale Bohème im Duden

Naja, noch nicht ganz, dafür hat sie es aber ins "Lexikon des Jahres 2006" des SZ-Magazins (29.12.2006) geschafft. Gewohnt nüchtern wird dort vermerkt:

"... Das im November dieses Jahres bei Heyne erschienene Manifest trägt den Untertitel 'die digitale Bohème oder intelligentes Leben jenseits der Festanstellung' und vertritt die These, dass durch die Online-Vernetzung eine freiberufliche Tätigkeit in wechselnden Projekten, Blogs (--> Lexikon 2004), Künstlernetzwerken etc. erheblich einfacher geworden und einem abhängigen Angestelltenverhältnis vorzuziehen sei. Anders als bei der traditionellen Bohème sei über das Internet ein grösseres Publikum erreichbar und gute Ideen damit auch schneller finanziell rentabel. ..."

So sieht's mal aus. Und auch 2007 verspricht, ein gutes Jahr für die digitale Bohème zu werden. Wir unsererseits werden uns nicht auf irgendwelchen vermeintlichen Lorbeeren ausruhen, sondern weiter daran arbeiten, "die eigenen Existenzbedingungen zukunftssicher zu machen, politisch zu flankieren und abzusichern", wie es im Schlussabsatz des Buches heisst. Dazu planen wir ein grösseres Festival Anfang Mai 2007 in Berlin. Näheres dazu wird unter anderem auch hier bekannt gegeben. Wer Interesse daran hat, etwas beizusteuern oder so etwas mitgestalten, möge sich aber vorsorglich jetzt schon mal mit uns in Verbindung setzen.

Allen Lesern, die das alles erst möglich gemacht haben, ein grosses Dankeschön, immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel und ein gutes Jahr 2007!


22.11.2006 | 13:19 | Holm Friebe | - Das Prinzip Bohème

Digitale Bohème bei Christiansen et al.

Am kommenden Sonntag werde ich als digitaler Bohèmien zusammen mit Jörg Schöhnbom und Mutter Beimer in der Sendung von Sabine Christiansen zum Thema "Der Amoklauf von Emsdetten – haben wir alle versagt?" diskutieren. Quatsch. War nur ein Witz. Aber kein schlechter. Ausgedacht hat ihn sich die Taz von heute. Und obwohl wir natürlich nicht in der Sendung sein werden, findet sich unsere Position mit "Du bist gefragt, Kumpel" doch ganz angemessen widergespiegelt. Zur Erläuterung: Mag sein, dass es einen Korrelation zwischen Ego-Shooter-Spielen und Amokläufen gibt, ähnlich wie es einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen dem Rückgang der Störche und der sinkenden Geburtenrate gibt. Gut möglich, dass Jugendliche, die so fertig sind, dass sie ihre Mitschüler niedermetzeln, auch einen Crush für Ballerspiele haben. Damit ist jedoch nichts über die Kausalität ausgesagt. Nur so viel dazu.

Weiter im Text: Die Jungle World widmet dem Spannungsfeld Prekariat und digitale Bohème ihre Titelgeschichte mit der schönen Zeile "Mein Job bin ich", sieht das Thema naturgemäss etwas kritischer, gibt uns aber Gelegenheit, im Streitgespräch mit Anton Landgraf die gröbsten Missverständnisse auszuräumen. (Bei der Gelegenheit möchten wirich dazu aufrufen, die Jungle World zu unterstützen, indem man sie aboniert. Denn diesmal gilt wirklich: "Es geht um alles!" Kein Spruch, auch wenn er von uns ausgedacht wurde. Wir finden es wichtig, dass es auch weiterhin eine linke und unabhängige Wochenzeitung auf Papier gibt, gerade weil sie bis heute ihre lesenswerten Inhalte auch gratis und im Volltext ins Netz stellt.)

In der kommenden Konkret macht es sich Tina Klopp etwas einfacher, indem sie einfach den Gewerkschaftsstandpunkt von vor 15 Jahren bezieht: "Unfreiwillig arbeiten die Autoren damit jedoch dem neoliberalen Gesellschaftsentwürfen derer in die Hände, von denen sie sich ursprünglich befreien wollten. Denn die Auftraggeber aus Verlagen und Unternehmen freuen sich am meisten über Mitarbeiter, die rund um die Uhr zur Selbstausbeutung bereitstehen." Offensichtlich müssen wir noch deutlicher werden, dass es genau darum nicht geht.

Skeptisch bleiben auch Allain Bieber und Gunnar Lützow in der Max vom Dezember, indem sie nach umfangreichen Recherchen im Cafè Obeholz zu dem Schluss kommen, dass das Ganze oft nur mit dem "Airbag Eltern" funktioniert. Vielleicht sollte man dort mal nicht nur die Studenten interviewen. Immerhin stellen sie dem Artikel fünf Portraits beiseite, die in der Zusammenschau eine hübsch ausgewogene Empirie dessen liefern, was wir nicht zuletzt als utopischen Vektor beschreiben. So geht's doch.

Was noch? Für die Zeitung des Bundestages Das Parlament hat uns Johanna Metz ausführlich interviewt. Wir haben uns bemüht, möglichst staatstragend zu wirken. Leider ist uns das nur in Ansätzen gelungen. Ach so: Und heute Abend ab 19 Uhr werde ich zu Gast in der Sendung Resonanzen auf WDR 3 sein. Worum es darin allerdings nicht gehen wird, ist der Amoklauf von Emsdetten.


14.11.2006 | 17:09 | Sascha Lobo | - Das Prinzip Bohème | - Die Währung Respekt | - Bohème und Big Business

Digital Bohemian Lifestyle – Station Rose


This is Digital Bohemian Lifestyle
Für die Suche des Titels für unser Buch haben wir Anfang diesen Jahres mehr als zwei Monate verwendet. Dabei sind wir auch in abenteuerliche Untiefen geraten, etwa im Februar waren wir Feuer und Flamme, das Buch "Die Weber" zu nennen, mit Bezug ebenso auf den Aufstand der Weber wie auf das Web. "Die Weber 2.0", um Gottes Willen, zum Glück hat irgendjemand ein energisches Veto eingelegt. Besonders lag uns dabei die Bezeichnung für die Menschen am Herzen, die wir beschreiben wollten – immerhin wollten wir auch ein Identifikationsbuch schreiben, in dem man sich wiederfinden kann und dazu braucht man erfahrungsgemäss einen Namen. Der Bestandteil Bohème stand dabei von Anfang an fest, vor allem wegen der kollektiven Arbeitsstrukturen der Bohème seit jeher, um die es uns ging. Der Begriff für diese Personen wechselte bei uns ebenfalls täglich, fing an als "Neue Bohème", was uns zu laff war, und erreichte wiederum abseitige Wurstigkeit mit den "ViBs", was gleichzeitig für "virtuelle Bohème" und "Vitamin B" stehen sollte. Nun ja. Schliesslich fiel uns das Naheliegendste ein: digitale Bohème. Der Begriff schlug nicht gleich ein, aber hatte als einziger einen beständigen Charme und konnte sich schliesslich bei uns durchsetzen. Ich googelte den Begriff "digitale Bohème" und fand keine substanziellen Treffer. So weit, so gut, so bekannt.

Auch wenn wir überall auf die Einzelzutaten stiessen: Was wir nicht genau genug recherchierten, war die wörtliche englische Entsprechung. Sonst wären wir vermutlich über einige Umwege auf den "Digital Bohemian Lifestyle" gestossen, geprägt im Umfeld der Mutter aller Internet-Communities ("The Well"), von Elisa Rose und Gary Danner entwickelt, dem Künstlerduo Station Rose. Julian Dibbell, den wir im Buch zu einem anderen Thema zitieren, nennt den Begriff "Digital Bohemia" sogar in einem Text von 1993 und bezieht sich dabei auf The Well. Inzwischen – etwa seit Anfang des Jahrtausends – taucht vor allem im US-amerikanischen Internet auch die explizite Zusammenziehung "Digital Bohemia" sporadisch auf, mal mit, mal ohne Verweis auf the Well; im Buch "Neo-Bohemia: Art and Commerce In Postindustrial Chicago" von Dezember 2005 lautet sogar eine Kapitelüberschrift "The Digital Bohemia". Der Begriff liegt und lag also vermutlich in der Luft.
Gut möglich, dass Rose and Gary es waren, die etwas Ähnliches erstmals geprägt haben.

Deshalb möchte ich sie, ihren Ideen und ihren Begriff des "Digital Bohemian Lifestyle" hier vorstellen – wenn sie ihn auch anders verstehen als wir. In The Well gibt es ein Interview mit Rose und Gary, in dem sie sehr schön erklären, worauf es ihnen ankommt.

Trotz der unterschiedlichen Ausrichtung ist eines sehr interessant und bestätigt unsere Auffassung: Das, was vor gut zehn Jahren eine künstlerische Elite beschäftigt und ausgezeichnet hat, hat nun eine breite gesellschaftliche Relevanz bekommen – das Aufeinandertreffen der digitalen Welt und die wirtschaftliche Nutzung der eigenen Kreativität. Um Rose und Gary im Sinne des Netzwerks und der Währung Respekt die ihnen gebührenden Credits einzuräumen, möchte ich hier auf die interessanten und vielfältigen Werke von Station Rose hinweisen:

Das Buch ://on Demand, jüngst erschienen im Revolver Verlag, passend dazu im Sinne der ganzheitlichen Kreativität eine EP mit Musik drauf. Und schliesslich noch das Buch "1st decade" von 1998, in dem der "Digital Bohemian Lifestyle" ab Seite 121 vorgestellt wird. Im Sinne des Web 2.0 darf natürlich weder MySpace noch das Video eines Auftritts auf YouTube fehlen.


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